Chemische Schadstoffe in Gebäuden

Seit den Achtzigern hat sich in der Medizinwelt ein neues Krankheitsbild eingegliedert, das sogenannte Sick Building Syndrom, also das sogenannte krankmachende Gebäude. Gemeint sind in erster Linie (aber nicht nur) chemische Schadstoffe aus Baumaterialien, Möbeln und Einrichtungsgegenständen, aber auch aus Pflege- und Putzmitteln, welche die Raumluft innerhalb der Gebäude belasten und durch die Gebäudenutzer oder Bewohner eingeatmet werden und zu gesundheitlichen Beschwerden führen können.

Die Liste der chemischen Schadstoffe ist lang (mehr als 450 unterschiedliche Substanzen werden teilweise im Innenraum untersucht) und jedes Jahr kommen neue Schadstoffe hinzu. Die unterschiedlichen Substanzen einzeln zu beschreibe,n würde denn auch diesen Artikel sprengen, deshalb werden hier die wichtigsten Schadstoffgruppen beschrieben.

Generell muss man zwischen leichtflüchtigen (VOC) und mittel- oder schwerflüchtigen Schadstoffen (SVOC) unterscheiden. Die ersten werden über Luftproben untersucht, während letztere anhand von Staubproben analysiert werden.

Zu den leichtflüchtigen Schadstoffen VOC („volatile organic compounds“) gehören die klassischen Lösemittel (Benzol, Toluol, Xylol, die sogenannten BTX), halogenierte Stoffe, wie das PER oder Perchlorethlylen, aber auch wohlriechende Terpene und Konservierungsstoffe wie Glykolether und Isothiazolinone. Außerdem Aldehyde wobei das krebserregend eingestufte Formaldehyd das bekannteste aber bei weitem nicht das einzige Aldehyd darstellt. Zu den neuen leichtflüchtigen Schadstoffen zählen unter anderem die Siloxane.

Die schwerflüchtigen Schadstoffe in den Gebäuden setzen sich zusammen aus Bioziden und Pyrethroiden zur Abwehr von Schimmel oder Insekten im Holz, Leder, in Wollteppichen und Teppichböden oder als Insektensprays, Elektroverdampfer oder Mottenschutzmittel. Neurotoxische bromierte (PBDE) und organophosphorierte Flammschutzmittel werden nicht nur als Flammschutzmittel in Computern und im Holz oder in Polyurethanschäumen eingesetzt, sondern teilweise auch als Weichmacher oder in Putz- und Pflegemitteln aufgrund ihrer „glänzenden und rutschhemmenden“ Eigenschaften (TBEP). PAKs aus Teerölpräparaten und PCBs aus Dehnungsfugen sowie Asbest gehören zu den Altlasten im Gebäudesektor.

Tabelle der wichtigsten Schadstoffgruppen in Gebäuden:

leichtflüchtige Schadstoffe

Vorkommen (Beispiele)

Auswirkungen

Einzelsubstanzen

Benzol

Kraftstoff, Garage Heiztank

krebserregend

 

klassische VOC

lösemittelhaltige Farben & Kleber

Schwindel, Kopfschmerzen, Ȕbelkeit

Toluol, Xylole, Alkane

Terpene

biologische Farben, Holz

schleimhautreizend, allergisierend

Limonen, Pinene

Glykolether

Topfkonservierer in Farben und Klebern

allergen, reizend, reprotoxische, nierenschädigend

 

Siloxane

Farben, Lacke, Kleber, Silikone

reprotoxisch, lebertoxisch, Lungen- & Nierenschädigend

D4, D5, D6

Isothiazolinone

Konservierungsmittel in Farben & Klebern

schleimhautreizend, hautreizend & – allergen

 

Isocyanate

PU-Platten, Ortsschäume

schleimhautreizend

MDI, TDI

Aldehyde

ökologische Farben

schleimhautreizend, Kopfschmerzen, Husten

Hexanal, Nonanal

Formaldehyd

Spanplatten, Laminat, Kleber

Husten, krebserregend

 

halogenierte VOC

Entfetter, chemische Reinigung

krebserregend

PER, Trichlorethylen

schwerflüchtige Schadstoffe

 

 

 

Biozide

Holz, Leder, Teppiche

Neurotoxisch, immun- & atemwegsschädigend

PCP, DDT

Pyrethroide

Holz, Mottenschutzmittel in Teppichen

Neurotoxisch, immun- & atemwegsschädigend

Permethrin

Bisphenol A

Epoxybeläge, Kunststoffe in Bau und Lebensmitteln

hormonartig

 

bromierte Flammschutz-mittel

Informatik, PCs, Kopiermaschinen

krebserregend, hormonartig

PBDE

Organo-phosphorierte FSM

Holz, PU-Matratzen, Putzmittel

neuro- & atemwegstoxisch, zum Teil krebserregend

TCPP, TBEP

Phthalate

Weichmacher in Kunststoff PVC

Asthma, hormonartig

DEHP

PCB

Dehnungsfugen Beton, Transformatoren

immunosupprimierend, hormonartig

 

PAK

Carbolineum (Holzschutz), Bitumen

krebserregend, atemwegsschädigend

Naphthalin

Während viele der leichtflüchtigen Schadstoffe nach der Fertigstellung des Gebäudes allmählich „verfliegen“ und die Belastungen der Raumluft somit nachlassen, ist dies bei den schwerflüchtigen Schadstoffen in der Regel nicht der Fall. Selbst nach Jahrzehnten ist die Kontamination der Raumluft fast wie am ersten Tag.

Hormonartige Schadstoffe wie Weichmacher, PCBs, Bisphenol A, PBDEs, sowie verschiedene Biozide und Schwermetalle werden als „endokrine Disruptoren“ bezeichnet und wirken entweder wie männliche Hormone oder wie weibliche Pseudo-Östrogene. Solche Schadstoffe wirken vor allem in sensiblen Lebensabschnitten, beispielsweise während der Pubertät. Aber auch bereits vor der Geburt (prenatal) auf den Fötus beziehungsweise den Embryo unmittelbar nach der Befruchtung.

Neben den Gebäude-bedingten Schadstoffen gibt es aber auch Schadstoffe in Lebensmitteln, Kosmetikartikeln, medizinischen Produkten und Haushaltsutensilien. Zu diesen zählen unter anderen auch viele Schwermetalle.

Tabelle der wichtigsten Schwermetalle

Schwermetalle

Vorkommen (Beispiele)

Auswirkungen

Quecksilber

Niedrigenergielampen, Zahnamalgame

neurotoxisch, krebserregend

Mangan

Drucker

neurotoxisch (Morbus Parkinson)

Nickel

Fantasieschmuck, Jeansknopf

Kontaktallergen, krebserregend

Titan

Farben, Medikamente, Implantate

möglicherweise krebserregend & gentoxisch

Barium

Leuchtstofflampen

neurotoxisch

Blei

Wasserleitungen, Bleifarben (früher)

neurotoxisch

Aluminium

Impfstoffe, Alufolie, Medikamente

neurotoxisch (morbus Alzheimer)

Vom gesundheitlichen Standpunkt ist zu bemerken, dass die meisten Schadstoffe lipophil also fettlöslich sind. Aus diesem Grund lagern sie sich bevorzugt im Fettgewebe des Menschen an. Außerdem sind insbesondere die schwerflüchtigen, aber auch einige leichtflüchtige Schadstoffe persistent, also äußerst langlebig und bioakkumulierbar, das heißt sie reichern sich im Körper des Menschen, genauer im Fettgewebe des Menschen an. Demzufolge reicht es nach einer jahrzehntelangen Exposition nicht mehr die Schadstoffquelle zu sanieren oder zu entfernen, sondern die Fettdepots müssen entgiftet werden. Es kommt zu einer endogenen Belastung des Patienten, also einer Vergiftung von innen heraus.

Allen Schadstoffen gemeinsam ist, dass es keine toxikologisch hohen Dosen an Schadstoffen braucht, um gesundheitlichen Beschwerden hervorzurufen. Vielmehr sind es die geringen Konzentrationen über lange Zeit (der Umweltmediziner spricht von chronischen „low-dose-long-time“ Expositionen, welche über Jahre und Jahrzehnte zu teilweise irreversiblen Gesundheitsschäden führen können.